Aspekte der Werk- und Kunstpädagogik

Das augenfällig Beeindruckende in den bildnerischen Fächern sind die Arbeitsergebnisse, das Werkstück, das fertige Bild, die Ausstellung der Gruppenarbeit... In den Ergebnissen dokumentiert sich die gebrachte Leistung, daran misst sich die Schülerin, der Schüler und daran werden sie gemessen.

An den Resultaten gestalterischer Arbeit kann man eine tiefe Befriedigung erleben. Unter Anderem daran zeigt sich ein besonderer Wert der bildnerisch-künstlerischen Arbeit.

 

Aus der Perspektive, die Werk- und Kunstpädagogik primär als Erfahrungsspektrum zur Förderung der Persönlichkeitsentwicklung sieht, liegt das Hauptgewicht jedoch nicht auf final vergleichbaren Arbeitsergebnissen. Es geht in erster Linie nicht um die konkreten Inhalte sondern vielmehr um den Freiraum Erfahrungs- und Lernfelder wählen und betreten zu können, um Entwicklungsfreiraum und das Einlassen-können auf offene Prozesse. Dies gilt für Lehrer und Schüler, wobei dem Lehrer die Aufgabe des möglichst zuverlässigen, und einigermaßen kompetenten Begleiters zufällt.

 

 Es gilt Schwerpunkte so weit als möglich im Dialog mit den Betroffenen zu wählen. Man hat es ja jedes Jahr erneut mit anderen Menschen zu tun, die gegebenenfalls spezifische Bedürfnisse und Interessen einbringen. Das heißt: Inhalte haben zuerst einmal Angebotscharakter. Wenn Entscheidungen gefallen sind, dann gilt es ein Thema bzw. Themenfeld konsequent und intensiv in einem möglichst umfassenden Sinnzusammenhang abzurunden. Das kann lange dauern. Die Lösungen von Aufgaben können mannigfaltig verschieden sein. Maßstab sind das persönliche Vermögen, der Lebensstandpunkt und die individuelle Wertschätzung der Betroffenen.

 

Unabhängig von konkreten Inhalten haben verschiedene Aspekte Gewicht:

Arbeitsorganisation

handgreiflich-sinnlicher Umgang mit verschiedenen Werkzeugen und Materialien

Materialwiderstand und Körperkraft sowie Körpermechanik erfahren

Erfahrung von Sinnzusammenhängen

Beweglichkeit im Vorstellungsvermögen auf der Basis möglichst vielseitiger handwerklich-bildnerischer Erfahrungen

Ermutigung Neues auszuprobieren - soweit als hilfreich in Anlehnung an Vorbilder, soweit als möglich aus eigenen Impulsen

Entwicklungsfreiraum

Freiraum eigene Neigungen, Fähigkeiten und Grenzen kennenzulernen

"zweckfreies" Spiel, Freiheit des Spiels im Umgang mit gestalterischen Möglichkeiten

 

Im positiven Falle werden verschiedene Lebensqualitäten gefördert:

Sicherheit und Freude im gestalterischen Tun

ästhetische Sensibilisierung und differenzierte Erlebnisfähigkeit

Bedürfnis zu stimmigem Handeln

Freude an Kulturellem

Gespür und Verständnis für die bildnerischen Äußerungen anderer Menschen

 

Wem diese Qualitäten erfahrbar sind, dem erwächst daraus wie selbstverständlich die Wertschätzung künstlerischer Betätigung.

Und diese Wertschätzung ist die geeignete Basis die bildnerischen Äußerungen von Kindern, Heranwachsenden und Erwachsenen zu verstehen beziehungsweise die Einsicht zu gewinnen, wie wichtig es ist vor allem Kindern gestalterischen Freiraum zu gewähren und sie in dieser Richtung durch liebevolle Begleitung zu ermutigen und zu fördern.

 

Mai 2000